Krebs

Brustkrebs und Familie: Partner und Kinder mitnehmen

Wie die Krankheit die Familie verändert

Spoiler

  • Kindern hilft es, wenn die Eltern offen über eine Krebserkrankung sprechen und sie altersgemäss über die Behandlung informieren.
  • Das erkrankte Körperteil sollte niemals am Kinderkörper demonstriert werden, weil das verängstigend wirken kann.
  • Die Kinder sollten nicht den Eindruck haben, sich besser benehmen zu müssen, nur weil die Mutter an Brustkrebs erkrankt ist.

Die Diagnose betrifft nicht nur die erkrankte Frau: Brustkrebs und Familie gehören zusammen. «Die Eltern müssen natürlich zuerst für sich mit dem Schock fertig werden. Das Kind sollte erst, nachdem die Eltern miteinander geredet haben, damit konfrontiert werden», rät die Psychoonkologin im Brustzentrum des Universitätsspitals Basel, Dr. Brigitta Wössmer. Dennoch: «Man sollte relativ zeitnah mit den Kindern über die Krankheit sprechen und altersabhängig vorgehen.»

Brustkrebs in der Familie: Schuldgefühle vermeiden

Kleinere Kinder, bis zu etwa zehn Jahren, nehmen die Welt aus ihrer eigenen Perspektive wahr und haben die Tendenz, Spannungen auf sich zu beziehen. Sie haben oft das Gefühl, schuld zu sein. Da genügt schon die, in der Vergangenheit gemachte, unüberlegte Bemerkung: ‹Du machst mich krank mit deinem Getue.› – Und das Kind hat das Gefühl: ‹Ich habe nicht gehorcht, ich bin schuld, dass Mama krank ist.›

«Darum ist es wichtig, schon kurz nach der Diagnose mit dem Kind zu reden», meint Dr. Wössmer. ‘Mama ist schwer krank.’ Und es sollte das Wort ‹Krebs› verwendet werden. ‘Da wächst etwas Gefährliches, das man herausschneiden muss. Mama muss ins Spital. Sie kommt zu guten Ärzten, die heissen Chirurgen; sie tun alles, damit Mama wieder gesund wird.’

Wahrheitsgetreu antworten

Die Gefahr, dass das Kind in der Umgebung ohnehin davon hört, dass seine Mutter Krebs hat, ist relativ gross. Hört ein Kind in der Schule: ‹Deine Mutter hat ja Krebs›, kann der Schock eines uninformierten Kindes sehr gross sein. Um das zu vermeiden, sollte der Brustkrebs in der Familie thematisiert werden.

Jugendlichen ab zwölf Jahren können, je nach Sozialisation, dieselben Informationen gegeben werden, wie anderen Laien auch. Die Kinder sollen über die Behandlung schrittweise informiert werden. Dies gilt auch für die Chemotherapie oder die Bestrahlung: ‹Nach der Operation braucht Mama noch weitere Behandlungen. Wenn du Grippe hast, schaut der Arzt hinterher auch, ob du wieder gesund bist.› Die Fragen der Kinder sollten immer wahrheitsgetreu beantwortet werden.

Brustkrebs ist nicht ansteckend

«Nie soll man am Körper des Kindes zeigen, wo Mama erkrankt ist», warnt Dr. Wössmer. Ganz wichtig ist, dem Kind klar zu sagen, dass die Krankheit der Mutter nicht ansteckend sei». Gerade kleine Kinder fürchten oft, dass sie auch erkranken, weil ihre Kinderkrankheiten fast immer ansteckend sind. Die Kinder könnten auch befürchten, sie dürften keine Freunde mehr nach Hause bringen, weil Mama ansteckend sei.

Nicht geheimnisbehaftet

«Die Diagnose Brustkrebs belasten Mädchen stärker als Jungen», vermutet die Psychoonkologin. Mädchen identifizieren sich stärker mit der Mutter. Gerade bei Mädchen in der Pubertät, deren Brüste wachsen, können grosse Verunsicherung und Angst entstehen.

«Die Mutter soll sich mit dem Onkologen absprechen und die Tochter fragen, ob sie zu einer Konsultation mitkommen wolle. Dabei soll die Tochter dem Arzt auch Fragen stellen können. Die Krankheit der Mutter soll nicht geheimnisbehaftet sein», sagt Dr. Wössmer.

Brustkrebs und Familie: neue Unterstützung

Manche Kinder möchten die Mutter zur Konsultation oder ins Spital begleiten. Da könne es gut sein, wenn beispielsweise die Grossmutter ebenfalls mitgehe und dann mit dem Kind in der Cafeteria etwas trinke. «Ob dem Kind die Operationsnarbe gezeigt werde, hängt vor allem von den Fragen des Kindes und dem Umgang der Familie mit Körperlichkeit ab», so die Psychologin. Es gibt keine allgemein gültigen Rezepte.

«Gute kommunikative Fähigkeiten, gefestigte Strukturen, ein soziales Netz, das unterstützt, seien sehr wichtig», führt Dr. Wössmer aus. Ausschlaggebend ist, dass der gewohnte Tagesablauf weiter gehe und Strukturen und Rituale, wie Gute-Nacht-Geschichten, möglichst beibehalten würden. Wenn Mama nach der Chemotherapie müde sei, müsse eben Papa Geschichten erzählen – oder die Grosseltern, Nachbarn, Paten. Die Kindern müssten wissen, wer wann da sei.

Trotz Brustkrebs darf die Familie streiten wie bisher

Sehr wichtig sei auch, dass Kinder auch weiterhin genauso streiten, nicht aufräumen und Aufgaben nicht freiwillig machen dürften, wie bisher. «Das Kind muss nicht ‹lieber› sein. Wenn ein Kind angepasst und sanft wird, kann dies ein Alarmzeichen sein», warnt Dr. Wössmer.

Pubertierende Jugendliche sind in einer Ablösungsphase; sie haben ihre eigenen Ängste und sollten nicht aus lauter Schuldgefühlen öfter zu Hause bleiben. Sie sollen in der Mensa essen dürfen und nicht mit Mama essen müssen. Wenn kleinere Kinder helfen möchten, sollten sie das gern tun. Die Mutter kann Wünsche äussern, dann aber: ‹Jetzt ist genug, geh jetzt spielen› – mit gutem Gewissen.

Krebs ist immer eine chronische Krankheit. Das Sprechen über den Tod fällt schwer; schon weil Kinder ganz anders damit umgehen. Sie sagen im Spiel leichthin: ‹Du bist tot.› Oder sie fragen: ‹Stirbst du jetzt und wann?› Zu seinem krebskranken Vater sagte ein Neunjähriger: ‹Bitte stirb nicht am Freitag.› Am Freitag spielt der Junge Fussball. Ein Knabe bot an, sein Lieblingsauto ins Grab mitzugeben. Als er erfuhr, dass kremiert würde, wollte er sich nur noch vom zweitliebsten Auto trennen. Kinder sprechen aus, was Erwachsene nicht sagen – das tut manchmal weh.

Nützliche Helfer

Bücher für Eltern, Kinderbücher, Bilderbücher und CDs zum Thema Brustkrebs helfen Erwachsenen sowie Kindern weiter. Es gibt sogar ein Bastelset für Kleine und einen Chat der Krebsliga, an dem sich Jugendliche anonym beteiligten können.

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